Ein Artikel aus der NRZ vom 16.11.2016 zum Benefizgedanken des Chorkonzertes "In Zeit und Ewigkeit"

In Zeit und Ewigkeit - eine „musikalische Predigt“

Das „Collegium vocale“ der SELK mit zwei Konzerten zum Ende des Kirchenjahres in Bochum und Neukirchen

Die Zeit des 30jährigen Krieges (1618-48) war geprägt durch Hunger, Elend, Pest-Epidemien, Tod. Eine Zeit, in der die Rohheit und das Klirren der Waffen deutlicher zu hören waren als edle Regungen oder gar Fröhlichkeit. Und genau in dieser schwierigen Zeit lebte der bedeutendste Komponist des Frühbarock Heinrich Schütz (1585 in Köstritz-1672 in Dresden), die ihn zeitlebens prägte und in seiner Familie keine Ausnahme bildete. Umso erstaunlicher ist es, dass er Musik von bleibendem Wert mit einer Fülle musikalischer Einfälle schuf, gestärkt durch haltgebende Frömmigkeit und Glaubenstiefe. Der hochbegabte Schütz, mit den Lebensstationen Köstritz/Ostthüringen - Weißenfels - Kassel - Dresden, wo er die Leitung der hochgeachteten Dresdner Hofkapelle bis zu seinem Lebensende innehatte, war für alle Musik am Hofe zuständig: geistliche wie weltliche, zur Unterhaltung und zum Gottesdienst ebenso wie zur politischen Repräsentation. Diese zunächst glückliche Zeit in der glanzvollen Hofhaltung und einem erfreulichen Eheleben endete jäh mit dem frühen Tod seiner Frau (1625) und dem Zusammentreffen von Dreißigjährigem Krieg, Seuchen und sozialen Umwälzungen und daraus resultierenden schwierigen Lebensumständen. Später beschrieb er sein Leben als „nahezu qualvolle Existenz“. In seinen Werken haben sich diese Erfahrungen allerdings nur bedingt niedergeschlagen.

Anlässlich der Trauerfeier für seinen Landesfürsten Heinrich Posthumus Reuß komponierte Schütz 1635/1636 die Musikalischen Exequien. 1636 veröffentlichte er in Leipzig den ersten Teil seiner Kleinen geistlichen Konzerte, dem er 1639 einen zweiten Teil folgen ließ. Seine Publikationstätigkeit erreichte Ende der 1640er Jahre ihren Höhepunkt: 1647 erschien der zweite Teil der Symphoniae sacrae, 1648 die Geistliche Chormusik und 1650 der dritte und letzte Teil der Symphoniae sacrae.

Unsere Konzerte am 5.11. in der ev.-luth. Kreuz-Kirche Bochum-Hamme und 6.11. in der Ev. Dorfkirche Neukirchen mit dem „Collegium vocale“ der SELK (Leitung Hans-Hermann Buyken, Kamp-Lintfort) und dem Cölner Barockorchester, einer Continuo-Gruppe mit Violone, Violoncello, Laute/Theorbe und Orgel folgten im Programm dem Thema „In Zeit und Ewigkeit“. Schon die Titel der Motetten von Heinrich Schütz „Das ist je gewißlich wahr“ und „Unser Wandel ist im Himmel“ und auch die Motette von Joh. Michael Bach „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt“ lassen auf die Inhalte schließen, eine innige und intensive Vertonung christlichen Verständnisses der Komponisten. Und dann vor allem die „Musikalischen Exequien“, eine Begräbnismusik für 6, 8 oder mehr Stimmen mit Basso Continuo sind eine besondere Hinwendung zum Ende des Kirchenjahres und zur Endlichkeit unseres Lebens. Der Chorleiter Hans-Hermann Buyken beschreibt die Exequien als eine Art "vertonter Sarg, der neben Trauer auch Trost und christliche Hoffnung der Auferstehung zum ewigen Leben in einmaliger Weise ergreifend hörbar mache, eine zutiefst lutherische musikalische Predigt". So kommt die Motette von Gottfried August Homilius „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen“ einem Innehalten gleich, bis schließlich die Motette des Bach-Sohnes Joh. Christian Friedrich Bach mit „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ ein Gloria schmettern lässt, das uns Sänger und Sängerinnen mit den Zuhörern die fröhliche Hinwendung zum Leben zurückgibt. Ein nachdenkliches, tiefreligiöses und wieder frohmachendes Programm, das die Beteiligten - Solisten, Instrumentalisten und Chor - in wunderbarer Einheit darboten.

Gisela B. Adam, Köln

Konzertkritik aus der RP vom 08.11.2016

 

NRZ vom 08.11.2016

 

aus den selk-news

 

Eine lange gesungene Predigt
SELK: Konzert "In Zeit und Ewigkeit" mit dem Collegium vocale

Bochum/Neukirchen-Vluyn, 11.11.2016 - selk - Die Neue Rheinzeitung (NRZ) titelte ihren Bericht über das Konzert in Neukirchen-Vluyn "Das Collegium vocale und die längste gesungene Predigt" und beschrieb damit zutreffend den tiefgreifenden geistlichen Kern der "Musikalischen Exequien" von Heinrich Schütz, dessen großartiges Werk im Zentrum der beiden Chorkonzerte des Collegium vocale der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) am vergangenen Wochenende in Bochum (Kreuzkirche der SELK) und Neukirchen-Vluyn (evangelische Dorfkirche) stand.

Eröffnet wurde das Konzert mit der Schütz-Motette "Das ist je gewisslich wahr", die der Komponist 1630 für das Begräbnis von Johann Hermann Schein komponiert hatte und in die er - wie das ausführliche Programmheft in den Vorbemerkungen ausführte - "alle ihm zur Verfügung stehenden kompositorischen Möglichkeiten zu Ehren seines Freundes auszuschöpfen trachtete". Das Collegium vocale und die Kölner Vokalsolisten gestalteten dieses Werk, unterstützt von der Continuogruppe des Cölner Barockorchesters (Theorbe, Violoncello, Violone, Orgel) im Wechsel von vokaler Tutti und Solo-Besetzung. Es folgte eine weitere Schütz-Motette mit einem Text, der auch in den Exequien vertont wird "Unser Wandel ist im Himmel" - a cappella von den Kölner Vokalsolisten, wunderbar transparent dargeboten.

Die "längste gesungene Predigt" schloss sich an, die "Musikalischen Exequien" von Schütz, ein "vielschichtiges Werk, das unter Nutzung des Raumeffektes durch seine zum Teil doppelchörige Anlage in der Kirche eine feierliche Klangfülle entfaltete"(NRZ). Chorleiter Hans-Hermann Buyken war es wichtig, diese von Schütz selbst intendierten Effekte unter Nutzung der Empore, einer weiteren Orgel und der Verteilung der Continuogruppe und der Solisten im Kirchraum wirkungsvoll hörbar zu machen.

Im Programmheft hatte Buyken ausführlich erläutert, wie Schütz' Landesvater, ein musikbegeisterter, gebildeter, tiefreligiöser Mensch, bereits ein Jahr vor seinem Tod seine Beerdigung in den Blick genommen und auch sämtliche Texte für seine Begräbnismusik festgelegte hatte. Ja, er hatte insgeheim einen Sarg anfertigen und diesen mit den ausgewählten Bibel- und Liedzitaten - kunstvoll darauf angeordnet - verzieren lassen. Die Exequien seien, so Buyken, eine Art "vertonter Sarg", der neben der Trauer den Trost und die christliche Hoffnung der Auferstehung zum ewigen Leben in einmaliger Weise ergreifend hörbar mache, eine zutiefst lutherische "musikalische Predigt".

Die auf die Exequien folgenden Werke nahmen die ausgewählten "Sarg-Verse" und vergleichbare Texte in weiteren Vertonungen auf. Alles kreiste jetzt um Johann Sebastian Bach - zunächst die schlichte Motette des Bach-Onkels Johann Michael "Ich weiß, dass mein Erlöser lebt", dann Bach selbst mit einem seiner schönsten Choräle: "Es ist genug, so nimm Herr meinen Geist". Es folgten die Motette des Bach-Schülers Gottfried August Homilius "Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen" und zum Schluss aus der Motette "Wachet auf, ruft uns die Stimme" des Bachsohns Johann Christoph Friedrich der dritte Teil, das "Gloria sei dir gesungen".

Um dem Chor eine kleine Atempause zu gönnen, waren in der Konzertmitte die "Lamentationes secunda" des flämischen Komponisten Joseph-Hector Fiocco eingebaut worden, eine großartige Komposition mit Versen aus den Klageliedern Jeremias, liturgisch dem Gottesdienst in der Nacht vor Karfreitag zugeordnet, zutiefst innig und höchst musikalisch dargeboten von Julia Reckendrees von den Kölner Vokalsolisten (Sopran), Evelyn Buyken (konzertierendes Cello) und den anderen Mitgliedern des Cölner Barockorchesters.

Die Rheinische Post titelte zum Konzert "Solisten, Instrumentalisten und Chor sind exzellent aufeinander abgestimmt" und schließt ihren Bericht mit "Das Publikum bedankte sich im Anschluss mit tosendem Beifall bei den engagiert teilnehmenden Musikern für das hervorragende Chorkonzert". Für viele war es noch mehr, nämlich eine "musikalische Predigt", die, wie eine Zuhörerin anmerkte, "unter die Haut gegangen ist". Ein anderer Besucher schrieb an den Chor: "Es war ein großes Erlebnis und ich fühlte mich aus dem Alltag herausgehoben, angerührt - Gott etwas näher, wenn ich das so etwas pathetisch sagen darf. Danke!"
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Ein Bericht von selk_news /
Redaktion: SELK-Gesamtkirche /

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